Ich bin in Desden Cotta aufgewachsen. Frosch-Cotte oder Eisenbahnerviertel, diese etwas abfälligen Bezeichnungen habe ich wohl gehört, aber nie auf mich bezogen. Für mich war Cotta immer das Dichter-Viertel, weil in Cotta viele Straßennamen auf berühmte Dichter hinweisen. Ich bin auf der Hebbelstraße groß geworden, direkt neben der Mörikestraße, der Klopstockstraße, der Hölderlinstraße und der Grillparzer. Ich wurde also geboren, um zu dichten. Mein erstes Gedicht schrieb ich, als ich endlich ganze Sätze auf's Papier bringen konnte. Meinen ersten vollständigen "Roman" mit vierzehn. Ich schrieb ihn im Unterricht, meine Lehrerin bemerkte es, nahm mir das Buch weg, las sich durch, was ich gerade geschrieben hatte und gab mir das Buch zurück mit der Aufforderung, künftig bitte in meiner Freizeit weiter zu schreiben. Das war mir Bestätigung und Aufforderung genug, mit dem Schreiben nicht mehr aufzuhören.
Ich danke dem Dichter Hebbel auf diesem Weg nicht nur für mein Selbstverständnis, sondern auch für eines der schönsten Herbstgedichte, das ich kenne:
Herbstbild
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was vor dem milden Strahl der Sonne fällt.
Friedrich Hebbel
(1852)